Der Hahn im Feigenbaum hat das erste Mal um 2 Uhr gekräht und von dieser Uhrzeit an, hat er mich fast jede Stunde immer wieder aus dem Schlaf gerissen.
Die Nacht war kalt, aber durch die zusätzliche Wolldecke gut auszuhalten. Mein Zelt ist von der Kondensation komplett nass.

Nach einem Frühstück brechen wir um 8:20 Uhr auf, erst starten wir langsam um warm zu werden. Das Tempo nimmt aber rasch zu und wir überholen einige der anderen Pilger.
Es ist ein schöner klarer Morgen, aber am späten Vormittag zieht es sich leicht zu.

Von weitem können wir Lectoure sehen, die große Kirche erhebt sich deutlich über den anderen Dächer.
Im Ort selbst kaufen wir in einem überteuerten Tante-Emma-Laden ein, Eric versucht sein Handyproblem in einem Shop zu lösen und auf der Suche nach einer offenen Bäckerei (kann montags sehr schwierig sein), hören wir eine ältere Frau rufen. Sie kann kaum laufen und bittet uns ihr zu helfen.
Wir bringen sie zu einem Kiosk und sie erzählt auf dem Weg dorthin ihre Geschichte auf französisch. Da sie niemanden anderen hat, bringen wir sie auch zurück. Eric hat sie links untergehakt und ich unterstütze sie rechts.
Sie ist dankbar, als wir an ihrem Haus ankommen. Man sieht wie sehr sie vom Leben gezeichnet ist.

Die ganzen Erledigungen und das Helfen haben uns viel Zeit gekostet, ohne das wir eine Pause gemacht haben. Also essen wir in einer Bäckerei noch schnell einen Kuchen und stapfen um 12 Uhr los, mit noch 26 Kilometern vor uns…
Aus Lectoure heraus folgen wir erst der Straße und erreichen fix eine ruhige Landstraße. Wir versuchen so gut wie es geht auf dem Grünstreifen zu laufen, aber dies klappt nicht immer. Die Motivation ist heute nicht ganz so vorhanden, wahrscheinlich auch weil wir wissen, dass unser Etappenziel noch weit weg ist.
Einer der wenigen Feigenbäume am Wegesrand hat sogar ein paar Früchte für uns. Kurze Zeit später sehen wir sogar einen Khakibaum.

In Marsolan machen wir auf der Wiese vor der Kirche eine Mittagspause. Meine Fußsohlen schmerzen sehr, also ziehen ich die Schuhe zur Entspannung aus.
Die Landschaft ist ähnlich zu gestern und die weiten Feldlandschaften mit ihren seichten Hügeln sind schön zu betrachten. Nach einer Weile entscheiden wir uns für eine deutlich kürzere Variante des Jakobsweges. Dabei kommen wir an Weinreben vorbei und naschen an den von der Ernte verschonten Trauben. Auch ein paar Pflaumen finden wir vor.
An einem Feldrand machen wir eine letzte kurze Pause und da der Wind über den Tag sehr zugenommen hat, breite ich mein Zelt zum Trocknen aus.
Die Wolken am Himmel sind teils sehr dunkel und haben die faszinierendsten Formen, aber Regen kriegen wir nicht ab.

Der Tag zieht sich immer mehr und vor unserer Unterkunft gehen wir noch fix einkaufen. Dort finde ich auch endlich eine günstige Stirnlampe.
Nach über 11 Stunden erreichen wir um 19:30 Uhr unsere Bleibe für die Nacht. Die 37 Kilometer liegen schwer in uns, aber noch gibt es keine Zeit zum Ausruhen. Nach einer Dusche bereiten wir Wraps zum Essen vor.
Die größte Überraschung bietet uns ein altbekanntes Gesicht. Rudi sitzt am Tisch und strahlt uns ungläubig entgegen. Er kennt auch Eric und so ist die Freude groß sich nach einigen Tagen wieder zu sehen.
Zusammen mit meinen beiden Pilgerfreunden und einem weiteren Wanderer namens Josef vergeht der Abend.
Um 22:30 Uhr liege ich endlich sehr müde auf der Isomatte. Die Nacht soll es regnen, jedoch soll die Temperatur wohl über 10°C bleiben.