Als ich am Morgen das Fenster des kleinen Zimmers öffne, strömt kalte Luft hinein und lässt mich durchatmen.
Ich bin eine der letzten in der Unterkunft und hole mir meinen Kaffee ins Bett. Um 8:30 Uhr will ich los, verquatsche mich aber erst mit dem Besitzer und anschließend mit einem kanadischen Paar, die mir ihre Email Adresse gibt, falls ich je in Kanada eine Unterkunft brauche.
Ich trage heute meine Shorts, da es wieder über 25°C werden soll. Es ist natürlich noch sehr frisch und ich laufe langsamer, um vernünftig warm zu werden.

Während ich die weiten Weiden betrachte, machen sich meine Beine selbstständig und bewegen sich nach einiger Zeit von alleine schneller.
Die Felsen auf den Wiesen sind so groß, dass man sie in der Morgensonne teilweise von den Kühen auseinander halten kann.

Bevor ein kleiner Anstieg erfolgt, mache ich eine kurze Pause. Ein Auto hält neben einer Wiese und zwei Hunde springen raus und flitzen spielend durch die Gegend. Der Mann trägt ein großes Gewehr und geht hinter den Zaun. Kurze Zeit später kommt ein zweites Auto, der Mann schimpft böse und redet mit sich selbst.
Eine Französin läuft vorbei und übersetzt mir, dass er sich über die Taschentücher auf dem Boden aufregt, welche die Pilger hinterlassen. Dies ist sehr verständlich, denn sie bauen sich schlechter ab, als die meisten denken. (Die gilt u.a. auch für Bananen- und Orangenschalen, sie sind einfach nicht heimisch und verrotten viel viel langsamer, als wir denken. Sie gehören in den Müll und nicht unsere wunderschöne Natur.)
Ein paar Minuten später höre ich es mehrfach laut schießen, die Männer sind mittlerweile hinter einem Hügel und so sehe ich nicht was vor sich geht.
Die Landschaft ist wunderschön und auch heute werden euch an Schottland erinnert.

In Rietourt d’Aubrac treffe ich auf die drei Deutschen aus meinem Zimmer der letzten Unterkunft. Sie haben gehofft, dass sie mich wiedertreffen. Lächelnd streckt man mir eine Tüte hin, sie haben ein Lunchpaket übrig und schenken es mir. Das ist wirklich lieb, ich bedanke mich freudestrahelnd und ziehe weiter. Bis 12:15 Uhr möchte ich im nächsten Ort sein. Es ist heute Sonntag und die Läden haben nur bis zum Mittag geöffnet.
Um 12 Uhr trete ich in den Lebensmitteladen in Nasbinals, der gleichzeitig als Souvenir-und Wandershop genutzt wird.
Eigentlich hätte ich gerne in einem von Victor empfohlenen Restaurant gegessen, jedoch ist es sehr touristisch und der Ort gut besucht, zumal das Lokal mir auch zu teuer ist.
Ich wandere noch zwei Kilometer weiter und setzt mich auf einen grünen Fleck neben einer Kuhweide, recht schnell stehen neben dem Zaun drei männliche Jungtiere und beobachten mich. Füttern lassen sie sich nicht, aber neugierige Augen verfolgen jeden meiner Schritte.

Anschließend muss ich mein Tempo drosseln, mein rechtes Schienbein schmerzt zunehmend. Es wird leider nicht besser, als ich kilometerweit über unebene Kuhweiden laufe. Die meisten stehen leer, aber einmal muss ich sehr nah an einem Tier lang laufen.

Auf 1330 Kilometer führt der Weg heute hoch, in Aubrac mache ich eine wohlverdiente Pause und kaufe eine überteuerte Limonade, die wunderbar kühl ist.
Die letzten sieben Kilometer sind bergab, verlaufen erst relativ sanft, aber das letzte Stück erfordert nochmal volle Konzentration. Meine Beine sind mittlerweile Pudding und ich möchte nicht umknicken.
Um 17:30 Uhr erreiche ich nach 29 Kilometern den Campingplatz in Saint-Chély-d’Aubrac. Es stehen deutlich mehr Zelte als auf vorherigen Plätzen.
Nach der Dusche lege ich mich erstmal hin, da ich sehr müde bin. Vor dem Schlafen gibt es natürlich noch eine große Portion Abendessen.