Die letzte Nacht gehört sicherlich zu den unruhigsten bisher. Meine Isomatte lag doch etwas unebener als angenommen und das ständige Rumgerutsche mit dem glatten Schlafsack hat mich nicht wirklich zur Ruhe kommen lassen.
Der starke Wind hat die Bäume zusätzlich ziemlich Rauschen lassen.
Sehr müde stelle ich um 6:00 Uhr den Wecker aus. Mir ist richtig kalt und ein heißer Kaffee unumgänglich.

Gegen 6:50 Uhr höre ich auf dem Feldweg hinter den großen Büschen mehrere Autos lang fahren. Diese bleiben gut 200 Meter bei ein paar Streuobstwiesen stehen, auch ein Radlader folgt ihnen. Ich habe keine Ahnung, was die Menschen hier am Sonntagmorgen machen, aber in Windeseile packe ich meine Sachen und verlasse mein Nachtlager.
Durch Dieulouard hindurch führt es mich zwischen riesigen Feldern weiter. Eine Frau ist mit ihren zwei Hunden spazieren und leint diese freundlicherweise an, als ich ihr entgegenkomme.
Keine fünf Minuten später begegne ich einem anderen Hund, der ca. 50 Meter vor seinem Frauchen läuft. Als er mich sieht, fängt er direkt an zu bellen und geht in meine Richtung los. Dankbar über meine Wanderstöcke halte ich diese überkreuzt und schützend vor mir. Die alte Dame ruft nach ihrem Hund, der nicht hört und weiter bellend auf mich zu geht. Ich schreie den Hund an und stampfe mit den Stöckern in den Boden, wodurch er stehen bleibt. Rückwärts weiche ich auf das frisch gepflügte Feld aus, bis der Hund mich in Ruhe lässt. Parallel auf dem Feldweg versucht seine Besitzerin auf französisch sich zu entschuldigen. Würde ich ihre Sprache sprechen, würde ich ihr erzählen, dass das nicht in Ordnung ist. Viele Besitzer unterschätzen massivst den Beschützerinstinkt ihrer Haustiere.
Mit beklemmenden Gefühl laufe ich weiter, kurze Zeit später finde ich in einem Waldstück mal wieder einen Heliumballon. Dies ist sicherlich der 15. auf dieser Reise. Genervt sammel ich ihn auf, um ihn bei nächster Möglichkeit wegzuschmeissen. Ich entdecke eine Karte an ihm, er stammt von einer Hochzeit in Saarbrücken. Ca. 100 Kilometer hat der Ballon hinter sich.

Keine zwei Minuten später treffe ich auf die nächste unschöne Entdeckung. Jemand hat versucht im Wald mehrere Sachen zu verbrennen, darunter alte erotische Filme. Was stimmt denn nicht mit den Menschen, denke ich und ziehe langsam und traurig weiter.

Im nächsten Dorf Saizerais suche ich nach einer Sitzmöglichkeit, werde aber erst außerhalb fündig. Die Franzosen und ihre nicht vorhandenen Bänke sind mir wirklich ein Rätsel.
Da eine sehr kurze Etappe von 16 Kilometern ansteht, mache ich eine sehr lange Pause und esse mein Brot mit Camembert und Honig.

Nach Liverdun zieht es sich an der Straße entlang, ich nehme einen schöneren Weg über kleine Pfade im Wald.

Im Ort angekommen ist es noch einige Kilometer bis zum Campingplatz. Ich habe diesen in 2020 besonders gemocht und bin hier wieder absichtlich gelandet.
Um 13:30 Uhr erreiche ich ihn nach 16 Kilometern. Es ist sehr voll und auch wenn Ferienzeit ist, wundert es mich, da Sonntag ist.

In Ruhe erledige ich ein paar Kleinigkeiten am Nachmittag und treffe später Georges wieder – der Fahrradfahrer von gestern. Die Gespräche werden direkt fortgesetzt, und gegenseitig zeigen wir uns unsere Ausrüstung, fast so wie Kinder ihr Spielzeug. Es ist sehr spannend wie unterschiedlich die Arten zu reisen sind, da man beim Fahrradfahren nicht unbedingt auf jedes Gramm achten muss.
Am frühen Abend hüpfe ich noch schnell in den Pool des Campingplatzes, der leider (aber verständlicherweise) überfüllt ist.
Zum Abendessen setze ich mich an einen großen Tisch und treffe auf Dennis. Er ist ebenfalls Pilger und kommt tatsächlich aus Gießen. Er ist den Weg seit Mai in Teilstrecken gelaufen. Interessanterweise arbeitet er sonst in einem Krankenhaus auf der kardiologischen Station.
Georges gesellt sich dazu und zusammen verbringen wir bei Gesprächen rund ums Wandern und Fahrradfahren den Abend. Georges erzählt uns, dass das Gebäck Madeleines hier aus Lothringen stammt und ebenfalls Mirabellen für die Region sehr bekannt sind. Er schenkt uns Mirabellenschnaps ein. Er verrät uns nicht, dass dieser 45% Alkohol enthält und ich fange nach einem großen Schluck direkt das Husten an.
Gegen 22:30 Uhr verkriechen wir uns alle in unsere kleinen Zelten und so geht ein toller Tag zu Ende.