Am Morgen verabschiede ich mich von Aline und ein paar der Teilnehmer. Ich will früh los, denn für heute sind Sturmböen angesagt, aber Regen soll erst am Nachmittag dazu kommen. Die Luft ist um 08:00 Uhr frisch, der Himmel im Verhältnis zu den letzten Tagen erstaunlich klar. Die Sonne versteckt sich hinter ein paar Wolken, aber der Mond ist noch zu sehen.

Die Ruhe ist angenehm und Epineul geht direkt über in Tonnerre. In einem Supermarkt fülle ich meine Vorräte auf und laufe bei Sonnenschein durch die Stadt. An der Karstquelle Fosse Dionne und der Kirche Saint Pierre vorbei führt es mich bergaufwärts heraus.

Meine Gedanken sind heute woanders und schließlich komme ich vom Weg ab. Komplett zurück zu laufen macht wenig Sinn und mit ein paar Schwierigkeiten treffe ich den Jakobsweg 40 Minuten wieder an. Erst ist ein Feldweg komplett abgeriegelt, dann muss ich umständlich über eine Leitplanke klettern und letztendlich bleibe ich an einem Dornenbusch schmerzhaft hängen.

Am Ortsanfang finde ich einen Tisch mit Bank und in der Sonne sitzend, hole ich mein Frühstück aus dem Rucksack. Der Wind nimmt ganz schön Fahrt auf. Ich hatte überlegt heute aus der kurzen Etappe eine lange zu machen, aber das Unwetter am Nachmittag lässt mich abschrecken. Es zieht sich immer weiter zu und kurz vor Chablis lassen mich die dunklen Wolken schneller gehen.

Ich laufe an einem kleinen Fluss entlang und sehe den Campingplatz, welcher sehr idyllisch liegt. Allerdings hat er seit drei Tagen geschlossen. Schade.
Der freundliche Mann in der Touristeninfo weiß über die Pilgerunterkunft Bescheid, kann aber niemanden telefonisch erreichen. Er bietet mir an in einer halben Stunde wieder zu kommen.
Ich schlendere durch die Kleinstadt, die dem Weintourismus verschrieben ist. Kleine Weinläden an jeder Ecke.
An dem kleinen Fluss warte ich die Zeit ab, der Niederschlag setzt ein und ich werfe den Poncho über den Rucksack und mich, an den ich mich müde lehne.
Auch ein zweites Telefonat bringt keinen Erfolg, mit der Adresse in der Hand versuche ich mein Glück vor Ort. Die Fensterläden sind alle geschlossen, kein einziges Zeichen, dass ich hier richtig bin (meist findet man eine Muschel oder ähnliches), nichtmal eine Klingel. Bin ich hier wirklich richtig? Straße und Hausnummer stimmen. Ich klopfe an die Tür, die einen Spalt aufgeht. Drinnen höre ich Stimmen, aber niemand reagiert. Nach dem vierten Versuch öffne ich zögerlich die Tür und rufe „Bonjour?“ in den Flur. Eine ältere Dame tritt vor mich und als hätte sie mich erwartet, bedeutet sie mir einzutreten.
Sie zeigt mit das Zimmer, welches groß, jedoch in die Jahre gekommen ist. Sie knöpft mir 20€ ab und ist schnell wieder weg.
Beim genauen Hinsehen fange ich an mich Unwohl zu fühlen. „Wann wurde hier das letzte Mal sauber gemacht?“, denke ich seufzend. Eine von DEN Pilgerunterkünften, die nur aufs Geld aus sind und wirklich alles andere egal ist. Ich komme mit wenig zurecht, aber auf ein gewisses Maß an Sauberkeit lege ich Wert. Nun gut, ich habe schon schlimmeres gesehen und nehme die Situation so hin.
Im Regen laufe ich zum Supermarkt, meine Hüfte macht sich bemerkbar und ich hoffe die Schmerzen werden sich in ein paar Tagen fügen.
Als ich wieder da bin, frage ich mich, ob ich wirklich duschen soll und entscheide mich zum Aufwärmen dafür.
Abends koche ich Essen und gucke einen Film.
Ich breite meine Zeltunterlage auf dem Bettlaken aus, das aussieht als wäre es dieses Jahr noch nicht gewaschen worden und lege darüber meinen Schlafsack. Dann mal gute Nacht…